Kunst kaputt im Nationalpark Wattenmeer

Käme jemand auf die Idee, ein Feuchtgebiet in einem Kunstmuseum einzurichten, wäre Stirntippen angesagt: „Wohl nicht ganz dicht!“ Umgekehrt geht´s aber: In Dornumersiel im Landkreis Aurich steht ein riesiges Kunstwerk im Watt, mitten im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, in der Erholungszone, direkt an der Grenze zur  Zwischenzone und der am strengsten, zumindest auf dem Papier, geschützten Ruhezone. Ende April wurde die Installation „Versagte Heimkehr“ von der Künstlerin Monika Kühling mit großem lokalen Pressebrimborium vorgestellt. Ein Nationalpark wird eigentlich zum Schutz von Tieren und Pflanzen eingerichtet, als Unterlage für etwas groß geratene Kunstwerke ist er  weniger geeignet.

Kunst im Watt_Nationalpark Nieders. Wattenmer- Dornumersiel

Dieses besondere Kunstwerk der Künstlerin Frau Kühling ist immerhin 750kg schwer, 10m hoch und  12m breit und steht mitten im Flugkorridor von Wat- und Schwimmvögeln, die bei Dunkelheit dieser Barriere nicht ausweichen können. Kollisionen sind die Folge.

Ihre Konstruktion soll an das traurige Schicksal des Seefahrtschülers Tjark Evers erinnern, der zu Weihnachten 1866 seine Eltern auf der Insel Baltrum besuchen wollte, wegen nebligen Wetters irrtümlich aber nicht auf Baltrum, sondern auf einer vorgelagerten Sandbank von einer Bootsbesatzung abgesetzt wurde und so bei auflaufendem Wasser ertrank.  In eine Zigarrenkiste, die er  mit einem Tuch verschloss, legte er einen letzten Gruß an die Eltern. Seine schwimmende Botschaft wurde Wochen später auf der Insel Wangerooge angespült, Tjark Evers aber blieb verschollen. Ob er denn tatsächlich von Dornumersiel, dem Standort des Kunstwerkes, nach Baltrum aufbrach, ist allerdings  höchst umstritten. Ältere Quellen geben Nessmersiel als Ausgangspunkt seiner letzten Reise wieder.

Genehmigt hat dieses Erinnerungskunstwerk  die Nationalparkverwaltung in Wilhelmshaven, die für so manche Merkwürdigkeiten in diesem Großschutzgebiet die Verantwortung trägt. Damit die Kunst denn auch nicht mit den verordneten Terminen des internationalen Vogelzugs in Konflikt gerät, muss die Metallkonstruktion bis Ende August wieder abgebaut werden. Was die Fachleute der Nationalparkverwaltung vielleicht nicht bedacht haben: Den Vogelzug gibt es schon jetzt, er setzt so richtig bereits im Juli ein, wenn das Brutgeschäft vorüber ist und die ersten Watvögel aus ihren nordischen Brutgebieten im Wattenmeer ein- und dann vielleicht sogar auf das Kunstwerk treffen.

Äolus, der Gott des Windes, muss ein Freund der Vögel sein. Die Starkwinde der vergangenen Wochen haben bereits begonnen, das Kunstwerk zu demontieren; es ist abzusehen, dass bis August der Wind den größten Teil der Abbauarbeiten bereits erledigt haben wird.

Kunst kaputt_Dornumersiel Foto: Knake

Nur auch dann ist  keine Ruhe im Wattenmeer-Nationalpark: Kitesurfer jagen hier seit April mit ihren riesigen Zugsegeln über das Wasser und vertreiben auf Quadratkilometern die geschützten Vögel aus ihrem Schutzgebiet. Es ist eben ein Freizeitpark, der sich Nationalpark nennen  und demnächst noch die höheren Weihen eines UNESCO-Weltnaturerbes als Etikett tragen darf.

kitesurfer_dornumersiel_mai

Dieser Beitrag wurde unter Blick über den Deich, Natur abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Antworten zu Kunst kaputt im Nationalpark Wattenmeer

  1. MK sagt:

    Ja, ich warte immer noch auf meine Ernennungsurkunde zum Naturschützer. Frage ist nur: Von Wem? In der Tat, es kommt schon eine Menge an Naturmurks im Wattenmeer zusammen, das fängt bei uneinsichtigen Spaziergängern in Schutzgebieten an („Wir tun doch gar nichts“), geht über deplatzierte Kunstwerke in der strengsten Schutzzone des Wattenmeeres und hört bei einer Ölpest nicht auf. Zeitgenosse Peter sucht sich das für ihn Passende heraus und ist Argumenten offsichtlich nicht zugänglich. „Naturschutz zum Selbstzweck…nicht mit mir!“. In Ordnung, das kann er halten wie er will, nur erkenne ich den „Selbstzweck“ nicht, ich habe persönlich nichts davon, eher nur noch mehr Ärger mit den vielen Salon-Naturschützern.

  2. Peter sagt:

    Moin MK,
    unredlicher geht es nimmer. Naturschutz für das Ego des selbsternannten Naturschützers.
    Was ist mit der Ölförderung im Wattenmeer, dem Jade- Weserport. Der Einflugschneisen der Fluglinie z.B. auf Wangerooge, die Eisenbahn dort ? Alle mitten in der oder durch die Ruhezone.
    Dann sind da noch die Segler die sich trockenfallen lassen etc.
    Da wird jawohl mit zweierlei Maß gemessen, da wo eine dicke Lobby und vielerlei Interessen sind wird alles passend gemacht.
    Der Rest wird zweifelhaften Argumenten reglementiert und verboten.

    Naturschutz zum Selbstzweck…nicht mit mir!

    Schönen Tag noch

    Peter W.

  3. MK sagt:

    Moin Tim Wiedemann,

    ist ja nett gemeint, aber da bin ich wohl nicht der richtige Ansprechpartner.

    Klare Regeln gibt es bereits seit vielen Jahren: Das Nationalparkgesetz (NWattNPG) verbietet in §6 und § 12 u.a. das Drachensteigenlassen in den Zwischen- und Ruhezonen, ein „Kite“ ist zweifellos ein Drachen, Kitesurfen also „Drachensurfen“. Auf Antrag kann eine Befreiung gewährt wenn es im Einzelfall zu einer nicht beabsichtigten Härte führen würde oder überwiegende Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erforderlich machten; die Ausübung einer Trendsportart erfüllt diese Kriterien mit Sicherheit nicht. Dennoch hat er Leiter der Nationalparkverwaltung Südbeck eine Fläche in der Zwischenzone des Nationalparks in Upleward im LK Aurich genehmigt, obwohl alle anderen Beteiligten das Vorhaben aus rechtlichen und naturschutzfachlichen Gründen abgelehnt haben; weitere Genehmigungsanträge liegen von der Stadt Norden und der Insel Baltrum vor. Auf vielen Flächen wird nach wie vor illegal gesurft, u.a. deshalb, weil außerhalb der Strandbereiche keine Markierung am Beginn von strengeren Schutzzonen vorhanden sind und Kitesurfer keine Bremsen haben. Die höchste zulässige Geschwindigkeit im Nationalparks beträgt übrigens 33km/h, nur in den Fahrwassern! Der Nationalparkleiter ist also Euer wohlwollender Verbündeter, obwohl ich seine Genehmigung als Rechtsbeugung ansehe, aber er kann wohl politisch nicht anders.
    Nationalparke sind Großschutzgebiete, keine Freizeitparks, die Abwägung zu Gunsten des Schutzes von Tieren und Pflanzen hat also bereits mit dem Status „Nationalpark“ stattgefunden, weiteren Klärungsbedarf gibt es daher m.E. nicht.

    Mit den stets wachen Augen des Naturschutzes grüßt

    MK

  4. Hallo!

    Wir die Community http://www.surfandkite.net bieten hier unsere Hilfe an um die Natur zu Schützen und gleichzeitig unseren Sport auszuüben. Es ist durchaus auch möglich diesen Sport auszuüben ohne die Natur zu stören. Mit klaren Regeln und Wegen wollen wir mit Ihnen gemeinsam einen Weg finden.

    Die Community Surfandkite.net vertritt die Wassersportler.

    Team Surfandkite

Kommentare sind geschlossen.