Ver(pferde)äppelt

Da lagen sie vor unserem Haus, schön rund, glänzend und dampfend, ein Haufen frischer Pferdeäpfel. Wir wohnen auf dem Land, wie man daraus schließen kann.
Früher, als ich noch ein Kind war und in einer Großstadt lebte, da war das auch schon so. Da lagen auch Pferdeäpfel auf der Straße, ja sie gehörten mit zum Straßenbild, mit den Spatzen, die sich um die Körner in den Haufen balgten. Mächtige Kaltblut-Brauereipferde mit gestutztem Schweif, das Pferdefuhrwerk des Eismannes mit dem Stangeneis, des Lumpensammlers oder des Kohlenhändlers sorgten für immer frischen Nachschub an Äpfeln.
Ich höre jetzt noch die stampfenden und hallenden Hufeisen auf dem Kopfsteinpflaster. Als dann schließlich die dreirädrigen Goliaths und Lkws das Straßenbild beherrschten, wurden auch die Stadtpferde seltener, und mit ihnen die Pferdeäpfel.
Die schönen Pferdeäpfel vor unserem Haus waren aber irgendwie anders, die Körner in ihnen fehlten, und Spatzen waren auch nicht da. Es waren ja auch Freizeitpferde, die hier ihren Schweif gehoben hatten, und die werden wohl anders ernährt, spatzenunfreundliche Pellets hinterlassen eben keine Körner im Pferdeapfel.
Dies bedenkend, dachte ich auch an meine Kamera, die Ewigkeit des Augenblicks und die Autos, die diese Pracht jeden Moment platt fahren könnten. Also schnell ins Haus und die Kamera geholt, um bildlich zu retten, was zu retten war. Zurück am Ort der Äpfel rieb ich mir die Augen: Es waren keine Pferdeäpfel mehr da, einfach weg, nur noch die dunklen Abdrücke auf dem Asphalt glänzten.
Auf dem Weg zurück ins Haus begegnete ich meiner Frau, die einen Eimer trug. Sie war auf dem Weg zu Rosenbeet. Aus den Eimer stieg der wohlbekannte Pferdeapfel-Duft auf. Als ich aus dem Haus die Kamera holte, hatte sie schon die Pferdeäpfel von der Straße in den Eimer gefegt, um sie dem organischen Kreislauf auf dem Beet zurückzugeben. Da war er hin, der bildliche Augenblick, im Eimer.
Es lag aber nicht am fehlenden Sinn für das Bildliche, sondern nur an der mangelnden Absprache. Man könnte sich veräppelt vorkommen mit so´nem Scheiß.

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