„Der Zeitungsschreiber selbst ist wirklich zu beklagen. Gar öfters weiß er nichts, und oft darf er nichts sagen.“ (Johann Wolfgang von Goethe)
Anmerkung zur untenstehenden Berichterstattung im „Anzeiger für Harlingerland“ vom 13. Juli 2015 zu einer Ratssitzung mit Einwohnerfragestunde in Neuschoo, Samtgemeinde Holtriem (Westerholt):
Ist es eigentlich die Aufgabe einer Lokalzeitung, durch selektive Berichterstattung oder Weglassungen völlig verfehlte Windkraft-Ratsentscheidungen zu harmonisieren? Diesen Eindruck kann man im Landkreis Wittmund haben. Als es am 26. Juni am selben Ort des Geschehens in Neuschoo/SG Holtriem richtig mit Windkraftkritikern aus dem Ort und der Region in einer vierstündigen Veranstaltung der
mittlerweile bundesweit organisierten „Vernunftkraft.de“ „zur Sache ging“ und Mitglieder des anwesenden Samtgemeinderates Holtriem/Westerholt wegen ihrer menschenverachtenden Windkraftpolitik ihr Waterloo erlebten, war die Presse nicht zugegen, ebenso nicht in Fulkum/Gem. Holtgast am 25. Juni. (Siehe: Windkraft in Ostfriesland: Es reicht! Bericht von zwei Veranstaltungen – Streit der Windbarone)
Der „Anzeiger für Harlingerland“ berichtete anschließend von der denkwürdigen Neuschooer Veranstaltung durch spätere Befragung weniger Teilnehmer und erwähnte den Veranstalter „Vernunftkraft“ mit keinem Wort. Auch die heftige Auseinandersetzung der beiden „Windbarone“ und Brüder Günther und Johann Eisenhauer, beide Westerholt, fiel unter den Redaktionstisch. Bemerkenswert: Günther Eisenhauer warnte auf der BI-Veranstaltung an die Adresse von Holger Heymann vor dem gesundheitsschädlichen Infraschall für die Anwohner. Video: Guenther_Eisenhauer_Neuschoo_26Juni2015 . Der Bericht im „Anzeiger“ vom 29. Juni stellte aber den Landtagsabgeordneten Holger Heymann (SPD), gleichzeitig Bürgermeister von Neuschoo, in den Fokus der Berichterstattung. Nur: Holger Heymann war als Gast anwesend und musste sich harte Worte anhören, wie z.B.: „Du hat uns verraten…“.
Heymann wurde am Abend des 26. Juni in Neuschoo auch mit dem unzureichenden Rückbau der Windkraftanlagen konfrontiert, bei dem die Masse des Stahlbetonfundaments betreiberfreundlich, aber rechtswidrig, im Boden verbleibt. Heymann sagte vor Publikum zu, das mit „nach Hannover“, also in den Landtag zu nehmen. Ergebnis: Als er auf abgeordenetenwatch.de darauf angesprochen wurde, antwortete Heymann dem Einwender schriftlich, dieser möge das doch selbst beim Landkreis Wittmund vortragen. Heymann ist übrigens auch Mitglied des Wittmunder Kreistages. Auch das liegt der Lokalzeitung vor, Berichterstattung: bisher keine!
Bei einer Windkraft-“Bürgerinformation“ am 02. Juli in Stedesdorf war wieder der freier Mitarbeiter der Lokalzeitung (WJA) anwesend, über wesentliche Teile der harten Diskussion „zur Sache“ wurde anschließend nicht berichtet. Wer im Falle der nachstehenden Berichterstattung die vom Rat der Gemeinde Neuschoo favorisierten 600 Meter Abstand der Mühlenmonster von fast 200 Metern Höhe zur Wohnbebauung bei 107 dBb Lärm (direkt an einer Anlage gemessen, das ist ungefähr doppelt so laut wie ein Rasenmäher, und das den ganzen Tag lang, wenn der Wind weht!) für „sachlich“ und einen „Erfolg“ hält, muss an Wahrnehmungsstörungen leiden, das ist nach allen vorliegenden Erfahrungen Körperverletzung! O-Ton Zeitungsbericht: „Kommt nur das Dorf zusammen, kann man sich immer vernünftig unterhalten“, oder ist damit „über den Tisch ziehen“ gemeint? „Im Dorf“ gibt es leider immer verwandschaftliche oder bekanntschaftliche Rücksichtnahmen, die den harten Konflikt dämpfen oder gar nicht erst aufkommen lassen; man will es sich nicht mit denen verderben, die einem das Leben durch ihre Windkraftbegehrlichkeiten für die nächsten zwanzig Jahre zur Hölle machen können. Nur: Der Klügere gibt bekanntlich nur so lange nach, bis er nicht selbst der Dumme ist! Diese Ratsmitglieder hätten über den Bebauungsplan die Anlagenanzahl, die Höhe und den Abstand zur Wohnbebauung steuern und so wesentliche Belastungsfaktoren für die betroffenen Anwohner minimieren können, haben sie aber nicht. Warum?
Die Betroffenen werden für die nächsten 20 Jahre nicht nur mit dem Windpark Südmoor in Neuschoo mit den sechs riesigen, fast 200 Meter hohen Anlagen leben müssen, im benachbarten Auricher Kreisgebiet in Dietrichsfeld sollen in etwas mehr als 1000 Metern Entfernung weitere 12 riesige Anlagen errichtet werden. Erschreckend ist nicht nur die gewaltige Bauhöhe der neuen Anlagengeneration, sondern auch die Faktenresistenz und Taubheit der veranwortlichen „Volksvertreter“ und Kirchturmpolitiker, die nicht über den Tellerrand ihrer Gemeindegrenzen sehen wollen und die „im Gleichschritt“ trotz der vielen vorgebrachten Bedenken über Flächennutzungs- und Bebauungspläne zum Nachteil ihrer Einwohner und zum finanziellen Vorteil weniger Betreiber (Eigenvorteil nicht ausgeschlossen) abstimmen. Solche „Volksvertreter“ sind nicht mehr wählbar!
Die Diskussion darüber hat sich aber verselbstständigt und findet mittlerweile wesentlich ausführlicher, ganz ohne die Lokalzeitung, im Internet statt!
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Anzeiger für Harlingerland, Wittmund/NDS, S. 1 und S. 7, 13. Juli 2015
Windkraft in sachlicher Diskussion
NEUSCHOO/WJA – Wer filmreife Szenen live erleben möchte, muss seit
einiger Zeit eigentlich nur Veranstaltungen zum Thema „Windkraft“
besuchen. So sehr polarisiert dieses Thema mittlerweile unsere
Gesellschaft. Doch dass die Argumente für und gegen den Bau weiterer
Windmühlen auch in sachlicher Atmosphäre ausgetauscht werden können,
bewies am Freitagabend die Gemeinderatssitzung in Neuschoo. Am Schluss
stimmte der Rat einstimmig dafür, die nächsten Schritte zur
Realisierung des Windparks einzuleiten. Die neugegründete
Bürgerinitiative möchte das Vorhaben weiter verhindern.
S. 7:
Diese Masse an Windmühlen macht uns kaputt“
POLITIK Gemeinderat verabschiedet weiteres Verfahren zum Windpark –
Bürger sehen Lebensqualität und Gesundheit gefährdet BI übergab 100
Unterschriften gegen das Vorhaben. Ratsherren setzen sich für 600
Meter Abstand zu Häusern ein.
NEUSCHOO/WJA – Kommt nur das Dorf zusammen, kann man sich
immer vernünftig unterhalten. Zumindest gilt das für Neuschoo. Denn
während der dortigen letzten Gemeinderatssitzung am Freitagabend in
der Gaststätte „Mittelpunkt“ wurden während der Einwohnerfragestunde
nur verbindliche Töne angeschlagen. Und das, obwohl laut Tagesordnung
das weitere Verfahren zum geplanten Windpark Südmoor verabschiedet
werden sollte. Gegen dieses Projekt hatte sich im vergangenen Monat
eine Bürgerinitiative (BI) gegründet, die unter den 40 Zuschauern mit
einigen Vertretern anwesend war.
Bürgermeister Holger Heymann zeigte sich als Leiter der
Gemeinderatssitzung gut vorbereitet auf die zahlreichen Anfragen zu
Beginn der Sitzung, aber auch die BI hatte ihre Hausaufgaben gemacht.
Einige Punkte sind wohl einfach nur Ansichtssache. So beklagte
BI-Sprecherin Elke Schmidt, dass zu der Betreibergesellschaft
Rechtsanwälte aus dem Landkreis Aurich und sogar ein bulgarischer
Investor gehörten. Für Heymann sei dagegen die entscheidende Frage,
wer Hauptgesellschafter des Windparks sei – und das sei die in
Westerholt ansässige Firma Norderland, „mit denen man über alle
Anliegen reden kann“.
Im Übrigen habe laut dem Bürgermeister die Samtgemeinde Holtriem vor
knapp einem Jahr einen entsprechenden Flächennutzungsplan
verabschiedet. Wenn Neuschoo jetzt nicht mit einem Bebauungsplan
nachziehe, gebe man das Heft des Handelns aus der Hand. Firmen wie die
EWE und Vattenfall könnten sich auf den Flächennutzungsplan beziehen
und direkt beim Landkreis Wittmund Baugenehmigungen beantragen. Wobei
der Vollständigkeit halber gesagt werden sollte, dass der
Flächennutzungsplan damals auch mit den Stimmen aller Abgeordneten aus
Neuschoo durchgewunken wurde.
Es gibt unter den Holtriemern Kommunalpolitikern offensichtlich einen
breiten Konsens für ein Mehr an Windmühlen. Heymann nannte dafür die
Gründe aus der Sicht seiner Gemeinde: „Durch ein deutlich höheres
Gewerbesteueraufkommen können Kindertagesstättenbeiträge gesenkt,
vielleicht sogar ganz abgeschafft werden. Außerdem können die
Mehreinnahmen für die Seniorenarbeit verwendet werden.“ Weiterhin
stehe die Idee im Raum, in Holtriem eine Windmühle als
„Bürgerwindmühle“ zu errichten, um Einwohner direkt an der Rendite zu
beteiligen. Doch die anwesenden Bürger stellten die Lage etwas anders
dar. „Was nützen uns reduzierte Kindertagesstättenbeiträge, wenn
Eltern wegziehen, aus Angst um die Gesundheit ihrer Kinder ?“, fragte
etwa Mimke Fleßner von der BI. Während finanziell in erster Linie die
Landverpächter und die Firma Norderland profitierten, litten nur die
Anwohner des Rockersweg unter den dann einsetzenden
Schwertransportverkehr und die in der Nähe des Windparks lebenden
Bürger unter permanenten Rotorengeräuschen.
In dem Zusammenhang verwies Schmidt darauf, dass die geplanten sechs
Anlagen tagsüber jeweils einen Schallpegel von 107 Dezibel hätten, sie
wären also noch etwas lauter als ein Rasenmähertraktor (98 Dezibel).
Aber fast noch mehr als der Lärm, den man hören kann, werden nicht
hörbare Töne als gesundheitsgefährdend angesehen. So stellte
BI-Mitglied Eberhard Kwiatkowski ausführlich die Risiken dar, die
seiner Meinung nach von Windmühlen durch Infraschall, Schallwellen
unterhalb der menschlichen Hörschwelle, ausgingen: Kinder könnten
krank werden und chronische Krankheiten entstehen. Dabei berief er
sich auf eine EURichtlinie und verschiedene Studien. Von Letzteren
hatte Heymann auch eine dabei, die jedoch zu einem anderen Ergebnis
kam: „Es ist nicht möglich, negative Auswirkungen von Infraschall
festzustellen.“
Bürgerin Helma Stalling brachte mit Blick auf die Lebensqualität die
Stimmung unter den Zuschauern auf den Punkt: „Diese Masse an
Windmühlen macht uns kaputt.“ Einige Gebiete in Holtriem seien für sie
keine Ausflugsziele mehr. Einig waren sich alle Anwesenden, dass wohl
nun auch im angrenzenden Dietrichsfeld ein Windpark entstehen dürfte.
Schmidt überreichte Heymann eine Liste mit 100 Unterschriften gegen
die Realisierung des Windparks in Neuschoo. Nach der
Einwohnerfragestunde zeigte sich der Rat unbeirrt und stimmte
einstimmig für das weitere Verfahren zum Aufstellen eines
Bebauungsplans. Doch einen Erfolg konnte die BI erringen: Die Gemeinde
behält sich nun vor, 600 Meter Abstand zu den Häusern einzufordern.
Bislang reichten 400 Meter aus.
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Nachtrag: Am 15. Juli berichtete der Redakteur Manfred Hochmann (mh) des „Anzeigers“ sehr ausführlich über den Standpunkt der BI in Neuschoo:
Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, S. 1, 15. Juli 2015
Bürgerinitiative ist enttäuscht von Kommunalpolitikern in Neuschoo
WINDENERGIE „Wir sind erschüttert darüber, wie wenig unser Vorbringen im Gemeinderat beachtet wird“
NEUSCHOO/MH/AH – Die Bürgerinitiative Neuschoo-Blomberg gegen den Windpark Südmoor (BI) zeigt sich enttäuscht über das Abstimmungsverhalten des Gemeinderates zum geplanten Windpark. Zwar sei es dort am Freitag sachlich zugegangen. „Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir darüber erschüttert sind, wie wenig unser Vorbringen beachtet wird“, so die BI. Frei nach dem Motto „schnack ji man“ sei der BI zwar Gehör gewährt worden, aber anschließend habe der Gemeinderat ohne ein weiteres Wort einstimmig die Stellungnahme an den Landkreis verabschiedet. „Wir sind enttäuscht darüber, dass der Rat, obwohl er 14 Tage Zeit hatte, die betroffenen Anwohner vom Kummerweg nicht zu einem Gespräch eingeladen hat“, schreibt die BI. Auch nach der Ratssitzung sei kein Gespräch mit den anwesenden Anwohnern gesucht worden. Trotz Einwendungen und Fragen der Bürger habe der Rat für das weitere Verfahren zum Aufstellen eines Bebauungsplanes gestimmt.
Bei der Anlagenhöhe von 193 Metern und einem Schallpegel von 107 Dezibel sei ein Mindestabstand von 1000 Metern oder mehr einzufordern und nicht – wie nun geplant – „unzumutbare 600 oder gar nur 400 Meter“, schreibt die BI. Alternativ könnte im Bebauungsplanes festgelegt werden – wie in Lütetsburg geschehen – Anlagen mit einer Gesamthöhe von maximal 100 Metern zu errichten. Nur so könnten Gesundheit und Lebensqualität annähernd erhalten bleiben. Aufgrund der „Massen an Windkraftanlagen“ in der Samtgemeinde Holtriem fordert die BI nach wie vor, keine Windkraftanlagen im Südmoor zu errichten. Die Samtgemeinde habe der Windenergie genug Flächen geopfert. Durch die Nähe zum Ewigen Meer und der Dimensionen der geplanten Anlagen gingen auch die letzten Flächen ohne Geräusche von Windkraftanlagen und der optischen Veränderungen verloren.
Auch die Auswirkung auf die Tierwelt sei nicht absehbar. „Wir möchten deshalb noch einmal an Gemeinde und Samtgemeinderat sowie an den Landkreis appellieren, für uns und unsere Kinder sowie für unsere Gäste ein Stück Heimat in seinem ursprünglichen Zustand zu erhalten. Wir brauchen keine Windkraftanlagen mehr. Es wird Zeit zum Umdenken“, so die BI.