Der Dortmunder Landeigentümer und erfolgreiche Kläger gegen den „Schwarzbau“ der Umgehungstrasse Bensersiel im Landkreis Wittmund geht nun massiv gegen die Stadt Esens vor. Eine Kanzlei aus Hannover fordert mit Schreiben vom 24. September 2015 den Esenser Stadtdirektor Harald Hinrichs dazu auf, den Straßenabschnitt auf den betroffenen Flächen des Eigentümers zurückzubauen und seine überbauten landwirtschaftlichen Flächen bis zum 30. Oktober 2015 wiederherzustellen:
„ […] Gegenstand unserer Beauftragung ist folgender Sachverhalt: Unser Mandant ist Eigentümer eines Bauernhofes sowie landwirtschaftlicher Flächen in Esens – Bensersiel . Die landwirtschaftlichen Flächen wurden durch den Bau einer kommunalen Entlastungsstraße in den Jahren 2009 bis 2011 durchschnitten, so dass rund zwei Drittel der Flächen nicht mehr vom Hofgebäude aus zu bewirtschaften sind. Die Rechtsgrundlagen für den Bau der kommunalen Entlastungsstraße wurden durch unseren Mandanten mit Urteilen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.01.2014 ( Satzung Nr. 72 nebst Änderung ) , sowie vom 27.03. 2014 ( Satzung Nr.67 ) erfolgreich angefochten. Auch das zugrunde liegende Flurbereinigungsverfahren wurde durch das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 25.02.2015 für unwirksam erklärt, so dass unser Mandant vom ArL Weser – Ems zum 01.08. 2015 wieder in Besitz und Nutzung seiner Flurstücke eingewiesen wurde. Die kommunale Entlastungsstraße stellt demnach einen „Schwarzbau“ auf den Flächen unseres Mandanten dar, der von ihm nicht hinzunehmen ist. Namens und Vollmacht unseres Mandanten fordere ich Sie hiermit auf, die kommunale Entlastungstraße […] bis spätestens zum 30. Oktober 2015 vom Grundstück unseres Mandaten zu entfernen und den früheren Zustand wieder herzustellen […]“
Dieser Aufforderung gingen monatelange fruchtlose Verhandlungen des Klägers mit der Stadt Esens über eine Entschädigung der ebenfalls rechtswidrig enteigneten Flächen und ein Schadensersatz über Pachtausfälle voraus. Bis heute wurde der Kläger nicht entschädigt. Der 2,1 km lange Straßenbau mit einem Brückenbauwerk kostete ca. 9 Millionen Euro, mehr als 5 Millionen Euro wurden aus öffentlichen Mitteln bereitgestellt. Der Straßenbau begann im April 2009, die Straße wurde 2011 dem Verkehr übergeben. In mehreren vom Kläger angestrengten Gerichtsverfahren wurden die Bebauungspläne der Stadt Esens im „faktischen Vogelschutzgebiet“ sowohl vom Oberverwaltungsgericht in Lüneburg als auch vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig für „rechtsunwirksam“ erklärt. Einen weiteren Erfolg erzielte der Kläger gegen die unrechtmäßig Enteignung seiner Flächen im Flurbereinigungsverfahren vor dem OVG Lüneburg. Am 01. August 2015 mussten die nun mit der Straße überbauten Flächen an den Kläger zurückgegeben werden. Der Kläger hat einen sog. „Folgenbeseitigungsanspruch“, mit dem die rechtswidrig gebaute Straße wieder von seinen Ländereien entfernt werden kann.
„[…] Offenkundig scheinen zumindest die Stadtspitze und einige Ratsherren nur noch das Ziel zu verfolgen, aus möglicherweise schon wahltaktischen Gründen die Bürger sachwidrig zu informieren und ihnen „Sand in die Augen zu streuen“, dass eine Legalisierung der Straße möglich sei. Dabei ist schon jetzt mit Sicherheit zu erkennen, dass der von der Stadt Esens geplante Weg für die Esenser Bürger nicht nur sehr teuer werden wird, sondern vor allem auch aufgrund einschlägiger EuGH-Urteile, auf die teilweise sogar im Urteil des BVerwG vom 27.3.2014 auch schon hingewiesen worden ist, wieder hoffnungslos rechtswidrig ist. Einen Vorteil, den diese Vorgehensweise mit sich bringt, haben nur die Ratsvertreter, die in einigen Jahren, wenn die Pläne erneut „vor die Wand gefahren“ sind, nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden können […]“, so der Kläger in einem Schreiben an den Wattenrat Ostfriesland.
In der Tat, keiner der früher Verantwortlichen wurde bisher für das Desaster verantwortlich gemacht, obwohl ein erheblicher Vermögensschaden für die Stadt Esens und den Kläger entstanden ist und hier die Amtshaftung greifen würde. Das niedersächsische Umweltministerium will den Straßenverlauf im Vogelschutzgebiet mit einer „Neuabgrenzung“ nachträglich legalisieren. Dafür soll der Trassenverlauf aus dem Vogelschutzgebiet entfernt und angrenzende Flächen in das Vogelschutzgebiet integriert werden. Der Wattenrat bezweifelt die Rechtmäßigkeit des bereits eingeleiteten Verfahrens, das nachträglich gerichtlich festgestellte gravierende Verfahrensfehler „heilen“ soll. Die bisher benannten Flächen der Neuabgrenzung zwischen der Straße und dem Ort Bensersiel sind nach Auffassung des Watterates durch den Straßenbau als nationalparknahe Vogelrastgebiete völlig ungeeignet. Der Wattenrat hatte bereits 2003 im Beteiligungsverfahren vor dem Bau der Straße auf die Rechtswidrigkeit der Planung im Vogelschutzgebiet hingewiesen, die schriftlich vorgebrachten Bedenken wurden seinerzeit vom Rat der Stadt zwar zur Kenntnis genommen, aber mehrheitlich verworfen.
Als einzige Fraktion des Esenser Stadtrates macht die Gruppe „Bürger für Bürger- CDU“ ständig auf die Missstände und die drohenden Zahlungsunfähigkeit der Stadt wegen der Umgehungsstraße aufmerksam. Die ehrenamtliche Bürgermeisterin der Stadt, Karin Emken (SPD), möchte die Straße „zusammen mit dem Kläger erhalten“ und bot dem Kläger dafür eine „Nutzungsgebühr“ an.
Anzeiger für Harlingerland, Wittmund, NDS, S. 5, 28. September 2015
Die Stadt Esens hält am Erhalt der Entlastungsstraße fest
RECHTSSTREIT Karin Emken: „Würden die Straße gerne zusammen mit dem Kläger erhalten“ESENS/BENSERSIEL/MH/HÄ – Der Kläger gegen die kommunale Entlastungsstraße in Bensersiel und die Stadt Esens fordert über eine Anwaltskanzlei in Hannover der Rückbau der Straße bis zum 30. Oktober diesen Jahres (Seite 1). Nach der aktuellen Rechtslage ist der Kläger derzeit wieder voll im Besitz der Flächen. Das Vorgehen der Stadt beziehungsweise des Landkreises/ Landes mit der Neuabgrenzung sei schon jetzt zum Scheitern verurteilt. „Trotzdem wird nun auf dem (finanziellen) Rücken der Esenser Bürger eine zusätzliche ,Bankrotterklärung’ draufgesetzt, die voraussichtlich weitere hohe Summen kosten und die Stadtkasse belasten wird“, so der Kläger. Auch der Image- Schaden für den Tourismus dürfte enorm sein. „Das Schreiben des Anwalts liegt der Stadt seit Freitag vor“, bestätigt Herwig Hormann, stellvertretender Stadtdirektor im Amt. „Den Rückbau der Entlastungsstraße einzufordern, ist das Recht des Klägers“, erklärt Bürgermeisterin Karin Emken. Die Stadt habe versucht, im Kontakt mit dem Kläger gemeinsam eine einvernehmliche Lösung zu finden. „Unser Ziel bleibt es weiterhin, die Entlastungsstraße zu erhalten“, betont die Bürgermeisterin. Die entsprechenden Verfahren in Zusammenarbeit mit dem Land liefen und seien bekannt. „Vor diesem Hintergrund und damit die Straße weiterhin befahren werden kann, haben wir dem Kläger eine Art Nutzungsgebühr angeboten.“ Leider habe der Eigentümer der überbauten Teilflächen nicht darauf geantwortet. Die Bürgermeisterin der Stadt Esens betont: „Wir würden die Straße gerne zusammen mit dem Kläger erhalten.“ Was seine aktuelle Forderung, die Straße bis spätestens zum 30. Oktober von seinem Grundstück zu entfernen und den früheren Zustand wieder herzustellen angehe, so sei diese utopisch. Selbst wenn alle Esenser mit anpacken würden, sei das zeitlich nicht zu schaffen, erklärt Herwig Hormann. Die Stadt wolle sich heute, 28. September, mit dem Schreiben befassen.
Zusammen und utopisch!
Die Forderung des Klägers verunglimpft der Herr Hormann als „utopisch, selbst wenn alle Esenser mit anpacken würden“, und ob dieses krummen Gedankengangs, auch nur ein Esenser würde für die Täter Sühnearbeit leisten, fragt sich der geneigte Leser, ob denn ebendieser Gedanke schon utopisch im schlechtesten Sinne oder doch nur konsequent deliriert ist. Okay, die Symptome kennen wir nun, aber wie lautet die Diagnose?
Vielleicht hilft uns Karin Emken weiter, da sie „die Straße gerne zusammen mit dem Kläger erhalten würde“, woraus die unverhohlene Erwartung spricht, der Betrogene möge an seiner rechtswidrigen Enteignung mitwirken und die Legende von der Unbescholtenheit und dem hohen Zivilisationsniveau der Verantwortlichen stützen.
Würde es uns daher wundern, wenn in Fortführung dieser Täterperspektive die Stadt Esens alsbald lauthals kundtäte, nun einen Moderator oder gar Mediator gegen den Geschädigten in Stellung zu bringen – ’nen Ex-Landtagspräsidenten, ’nen Ehrenlandrat oder ’nen Pastor – der an deren Runden Tisch zum Täter-Opfer-Ausgleich bittet?
Nein, das würde es nicht.