Teurer Straßenausbau für die Anwohner: „Nützt ja nix“?

Brandshoff-Gewichtsbeschränkung 6t: Hier wird aber ständig mit bis zu 40 Gewichtstonnen durchgefahren, und an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält sich kaum jemand.

Der Rat der Gemeinde Holtgast will eine „Straßenausbaubeitragssatzung“ beschließen, das muss er nicht, das kann er, so das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz. Anlieger sollen bei Straßenschäden zur Kasse gebeten werden, auch für Schäden, die sie gar nicht verursacht haben. Reparaturen sollen davon nicht betroffen sein, dafür aber die eventuell notwendig werdende Grundsanierung der Straßen. Systematisch werden in Holtgast einige Wohnstraßen durch schwerste landwirtschaftliche Güllegespanne zerfahren, dort, wo eigentlich eine 6t-Gewichtsbeschränkung gilt. Manchmal fahren diese Maschinenmonster tagelang durch die Wohnsiedlung, um auf die angrenzenden Ländereien zu kommen. Im Ortsteil Utgast donnern schwere Kieslaster von und zu einer nahegelegen Kiesgrube über den Strengeweg durch den Ort, gefährden die Anwohner und zerfahren die Straße.

Fast zwei Wochen lang fuhr dieses Güllegespann mit unkenntlichem Kennzeichen im Marz 2014 durch den Brandshoff, eines von vielen.

Bürgermeister Ihnen (CDU)  ist möglicherweise mehr Bauernmeister und Buchhalter als Bürgermeister, den die begründeten Sorgen der Anwohner wegen der auf sie zukommenden finanziellen Belastung kaum tangieren. Hauptsache, die entstehenden Kosten können abgewälzt werden, auf die, die nicht einmal die Verursacher sind. Auf der Ratssitzung am 26. März 2014 ging es hoch her, auch die Zuhörer mischten sich ein. Eine Zuhörerin rief sogar aufgebracht auf Plattdeutsch dazwischen: „Wir brauchen einen neuen Bürgermeister!“ Zwei Leserbriefe aus dem „Anzeiger für Harlingerland“ (Wittmund) zu dieser Ratssitzung, die erst mit einiger Verspätung erschienen, können Sie hier nachlesen:

Anzeiger für Harlingerland, S. 4, 09. April 2014
Anlieger sollen kalt enteignet werden

Betrifft: Straßenbeitragssatzung

In Friedeburg wurde laut des Artikels im Anzeiger für Harlingerland vom 15. März keine Straßenausbausatzung verabschiedet, weil die finanzielle Belastung für die Anlieger zu hoch werden würde. In der Gemeinde Holtgast ist es – wie üblich – mal wieder anders. Laut Ratssitzung vom 26. März will der Rat genau solch eine Mustersatzung verabschieden, aber vorher noch über einen Zusatz nachdenken, der (vielleicht) Rücksicht auf die betroffenen Anlieger nimmt. Wie genau das geschehen soll, ist völlig unklar. Den Holtgaster, Fulkumer und Utgaster Bürgern ist noch nicht bewusst, was eventuell finanziell auf sie zukommen kann. Beispiel ist die Straße Bandshoff, wo ich wohne.
Hier fahren seit Jahren sehr schwere Trecker mit Gülleanhängern mit Gewichten bis zu 40 Tonnen durch die Wohnsiedlung, um auf ihre Flächen zu kommen. Die Straße ist aber, wegen ihrer Beschaffenheit, nur bis sech Tonnen zugelassen. Straßenschäden, besonders an den Kanten, sind jetzt schon deutlich zu sehen. Es wird gemunkelt, dass das alte sechs-Tonnen-Schild gegen ein 30-Tonnen-Schild ausgewechselt werden soll, damit es wieder „passt“. Die Straße bleibt aber unverändert.
Wenn die Straße durch die Schäden grunderneuert werden muss, kommen Kosten von rund 12 000 bis 20 000 Euro (je nach Grundstücksgröße) auf jeden Anlieger zu, wenn die Straßenausbausatzung in Kraft tritt. Die Anlieger sind aber nicht die Verursacher der Schäden, werden dann aber zur Kasse gebeten. Viele Normalverdiener und Rentner könnten das nicht aufbringen und würden so kalt enteignet werden. Auch die „Nützt-ja-Nix- Anwohner“, die bisher zu nichts eine Meinung haben, werden eines Tages aufwachen, wenn sie zahlen müssen. Ich würde mir wünschen, dass auf der nächsten Ratssitzung noch mehr Bürger erscheinen, um ihre Meinung zu äußern.

Hannelore Planteur Holtgast

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Anzeiger für Harlingerland, S. 4, 09. April 2014

Nerven der Anwohner werden strapaziert
Betrifft: Lkw-Verkehr zur Kiesgrube Utgast.

Als zugereister „Nordrhein-Vandale“, der Ruhe und Entspannung in Ostfriesland suchte, wundert man sich im mer wieder über ostfriesische Gegebenheiten. Über das Befahren  des Utgaster Strengeweges zum Abtransport von Sand und Kies durch Lastwagen aus der Utgaster Kiesgrube wurden wir beim Kauf des Hauses am Strengeweg vom Vorbesitzer informiert. Das ist nun etwas mehr als drei Jahre her. Damals war der Strengeweg noch einigermaßen in Ordnung, jedenfalls was die Fahrbahndecke betraf. Fünf, maximal 15 Lastkraftwagen pro Tag, so der Vorbesitzer, konnten meine Familie und ich akzeptieren.

Die Anzahl der Lkws mit einem Gesamtgewicht von bis zu 40 Tonnen hat seitdem enorm zugenommen. Mittler- weile befahren, und zwar rücksichtslos, Lastwagen von neun Fuhrunternehmen den Strengeweg. So gab es in der letzten Februarwoche an fünf Tagen an die 140 bis 150 Fahrten pro Tag in Utgast. Ziel: Sand für den „Strand“ von Bensersiel. Die Straßendecke Strengeweg bis zur zweiten Einfahrt zur Sand- und Kies- grube ist nach den schon vorhandenen Schäden vollkommen demoliert. Der Lärm der klappernden Lkw-Bracken ist von 6.30 bis 16 Uhr zu hören. Hinzu kommt eine enorme Staubentwicklung. Gäste, die in unserem Hause Urlaub machen, Ruhe und Erholung suchen, hatten sich schon im vergangenen Jahr über die Missstände negativ geäußert.
Auflagen, die der Betreiberfirma im Planfeststellungsverfahren von 1996 sowie 2006 auferlegt wurden, werden einfach ignoriert. Dazu gehört die Reparatur sämtlicher Schäden, die durch den Abtransport der Sand- und Kiesmengen entstanden sind. Auch die Reinigung der verschmutzten Fahrbahn vom Sand, der beim Transport herabfällt, wird dort erwähnt. Beides ist in den vergangenen Jahren nicht einmal passiert.

Fragen in einem Brief an die zuständige Behörde wurden nicht oder mit den Worten „Wir machen das schon“ beantwortet: Wann wird sich etwas ändern? Besteht eine andere Möglichkeit der Zuwegung für den Abtransport der Sandmassen? Werden die Verursacher der Schäden zur Kasse gebeten? Überprüfung der Reinigung des Strengeweg? Werden Kontrollen durchgeführt, die die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h geltend für Pkws und Lkws überwachen? Es geht nicht um die Schließung der Kiesgrube Utgast, sondern um die Entlastung der Bewohner vom Strengeweg. Wohnen etwa nicht die „ richtigen“ Leute am Strengeweg? Ist Utgast nur Umland? Sind Utgaster vom Strengeweg Bewohner zwei- ten Ranges? Hauptsache, der „Strand“ von Bensersiel, wenn man ihn denn so nennen darf, ist nun in Ordnung. Vorne (Bensersiel) hui und hinten (Utgast) pfui.

Urlauber, die in Gelsenkirchen, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Köln, also in den Ballungsgebieten und Großstädten hin ter Mauern und Zäunen leben, stehen wieder vor den Zäunen der Sielorte und müssen, um den „Strand“ zu betreten, dafür auch noch bezahlen. Man kann nur hoffen, dass der nächste Orkan den schönen, teuren, mit Herzblut und vom Lärm belasteter Nerven hergegebene Sand nicht wieder wegspült. Dann ist in der schon gebeutelten Kasse von Esens-Bensersiel noch weniger drin. Frage: Wann werden die Schäden am Strengeweg beseitigt? Bleibt nur die Hoffnung auf Änderung der Missstände.

Werner Schmidt
Utgast

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