Tonabbau in Moorweg: auf tönernen Füßen

In Holtgasts Nachbargemeinde Moorweg soll gebaggert werden, im Landschaftsschutzgebiet „Leegmoor“, das seit 1977 besteht. Der Ziegeleibetrieb Kaufmann in Nenndorf möchte im Landschaftsschutzgbiet Tonerde abbauen, um daraus Ziegel zu brennen. Die Landschaftsschutzverordnung stellt dieses Vorhaben unter den Vorbehalt der vorherigen Erlaubnis des Landkreises Wittmund als Untere Naturschutzbehörde, und das soll mit einer „Befreiung“ von den Vorschriften der Landschaftsschutzverordnung möglich gemacht werden. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz dürfen Befreiungen aber nur beim Vorliegen des „überwiegenden öffentlichen Interesses“ erteilt werden, und nur dann, wenn keine Alternativen erkennbar sind. Und dazu gehört der Tonabbau an dieser Stelle zweifellos nicht. Gegen den Tonabbau gibt es Einwände der Anlieger. Vor allem die schmalen Zufahrtsstraßen werden durch den zu erwartenden enormen täglich LKW–Verkehr zerfahren, das bringt Lärm, Staub und möglicherweise auch Straßenunterhaltungskosten für die Anlieger mit sich. Wie die Gemeinde Moorweg die Sache handhabt, hat Jürgen Lohs aus Moorweg beschrieben:

Moorweg – auf tönernen Füßen

von Jürgen Lohs, Moorweg, am 04.September 2014

Daß in der Gemeinde Moorweg Ton abgebaut werden soll, erfuhren die Einwohner erst aus einer unscheinbaren amtlichen Bekanntmachung des Landkreises Wittmund als Ge­nehmigungsbehörde, und nur zwei oder drei unmittelbare Anlieger erhielten dazu vom Landkreis eine bis zur Unkenntlichkeit verkürzte Antragsversion der Ziegelei Nenndorf / Kauf­mann GmbH. Ihnen wurde anheimgestellt, mit Fristsetzung dazu Stellung zu nehmen.

Der Antrag in dieser Form stellte bei Genehmigung einen weitgehenden Freibrief zur un­beschränkten Ausbeutung der Tonvorkommen in Moorweg und einen eklatanten Verstoß gegen Landes- und Bundesgesetzgebung dar und war offensichtlich das Ergebnis ver­schiedener interner Vereinbarungen zwischen Landkreis, Kaufmann GmbH und Moorwegs Bürger­meister Schröder.

Alte Absprachen – neue Fragen

Die Details sind in den ebfls. auf dieser Seite dokumentierten Stellungnahmen umfassend dargelegt und formierten sich erstmals widerständig in der Einwohnerfragestunde der Moorweger Gemeinderatssitzung am 07.07.2014.

Hier räumte dann Bm Schröder ein, daß er in der Vergangenheit Absprachen mit der Kauf­mann GmbH getroffen habe, unter anderem über den Erhalt eines Sparbuchs mit 50.000 € zur Kompensation von Gemeindestraßen- und -brückenschäden. Offenbar aber wurden diese Vereinbarungen nirgendwo rechtsverbindlich dokumentiert; diesbezügliche mehrma­lige Einwohnerfragen an Bm Schröder blieben unbeantwortet, in Protokollen des Gemein­derates ist, sofern sie überhaupt zugänglich sind, davon auch nichts zu finden.

Angesichts der Empörung der Einwohner erklärte der Bürgermeister, alle zu äußernden Bedenken entgegennehmen und weiterleiten sowie eine Stellungnahme der Gemeinde Moorweg gemeinsam mit der Samtgemeinde Esens an den Landkreis richten zu wollen. Inhaltlich äußerte er sich nicht greifbar zu dem Vorhaben; zudem war offenkundig, daß den übrigen Mitglie­dern des Gemeinderates noch weniger Informationen vorlagen als den betroffenen und in­teressierten Einwohnern. Dies hatte eine Sondersitzung des Gemeinde­rates am 10.07.2014 zur Folge – unter Ausschluß der Öffentlichkeit, Tagesordnung und Be­schlüsse unbekannt und nicht zugänglich bzw. garnicht dokumentiert.

Auch in der Folge blieben wichtige Fragen der Einwohner an Bürgermeister Schröder standhaft unbe­antwortet, Einwendungen wurden an den Landkreis durchgereicht, während er vorzugs­weise Absprachen mit Samtgemeinde Esens und Genehmigungsbehörde traf, jegliche Rückmeldung an Einwohner jedoch unterließ.

Insbesondere des Bürgermeisters früher Kenntnisstand in der Sache – mehrmals ange­fragt – ist hier für die Einwohner von Interesse, da die Firmenfamilie aus Kaufmann GmbH (Gf Udo Ley) und Wittmunder Klinker (Gf Udo Ley, Klaus Müller) in der Vergan­genheit ständig Land in Moorweg zusammengekauft hatte, daher sämtliche Kaufverträge über Bürgermeister Schröders Schreibtisch gingen und der beabsichtigte Tonabbau auf zunächst 10 ha offenb­ar erst der Beginn des Tagebaus auf wesentlich größeren Eigentumsflächen sein soll.

Ziel: „Reibungsloser Tonabbau“

Demzufolge fand die nächste Gemeinderatssitzung am 25.08.2014 erwartungsgemäß ohne Einwohnerfragestunde statt und ein Einwohner, der vorab noch den Bürgermeister um Übermittlung der Tagesordnung gebeten hatte, wurde von diesem schriftlich an den Schaukasten oder die Zeitung verwiesen!

Demzufolge und stilsicher gab es auch in der Sitzung nur spärliche Sachinformation und keine Antworten auf u.a. vorab schriftlich gestellte Fragen der teils anwesenden Einwoh­ner. Stattdessen erklärte Bürgermeister Schröder abermals, alles an den Landkreis weiter­zureichen, mit dem er nämlich vereinbart habe, später zusammen mit der Kaufmann GmbH und dem Landkreis in einer öffentlichen Veranstaltung dazu Stellung zu nehmen, „um die Voraus­setzungen für einen reibungslosen Tonabbau abzusprechen“ – und man durfte ge­wiß sein, daß diese Aussage im O-Ton im Protokoll sicher nicht zu finden sein wird!

Telefon-Joker

Sodann verkündete er, die Gemeinde Moorweg werde ihr Einvernehmen zum Tonabbau versagen (wohlwissend, daß die Genehmigungsbehörde dieses ersetzen kann und wird) und trug mit liturgischer Inbrunst den persönlichen Entwurf einer Stellungnahme dazu vor – jedoch weitgehend inhaltsleer und in völliger Außerachtlassung der geltenden Rechtslage.

Dieser Entwurf sollte nun vom Gemeinderat debattiert, abgestimmt und beschlossen wer­den, aber alle Ratsmitglieder schwiegen still vor sich hin und starrten stumm auf die Tisch­platte. Es folgte der Satz: „Ich frage euch dann in der nächsten Woche telefonisch dazu“ – und erzeugt seither größtmögliches Gelächter beim Stammtisch der Verwaltungs­juristen Ostfrieslands.

Daß solch formidable Beschlußlage hinter der für Moorweg drohenden Gesamtproblematik weit zurückbleibt, war so folgerichtig wie das dann aus dem nichtöffentlichen Teil überlie­ferte Mißfallen einiger Ratsherren, die sich durch per Mail übermittelte Informationen und Einwendungen von Einwohnern belästigt sahen: „…woher haben die unsere Mail-Adres­sen?“.

Fazit bislang

Eine etwaige Genehmigung des Tonabbaus durch den Landkreis würde auf jeden Fall rechtsfehlerhaft, so daß die Anwohner auf den Rechtsweg verwiesen wären; eine Unter­stützung durch die Gemeinde erfolgt absehbar nicht, da sich Bm Schröder vorzugsweise in Konsensgesprächen mit Antragsteller und Genehmigungsbehörde zusammenfindet.

Daß der Bürgermeister den Kopf in den Sand steckt, mag man ihm nachsehen – aber er kriegt ihn nicht mehr raus und leistet der Gemeinde Moorweg Sterbehilfe, auch wenn die­se (bürger)meisterlich daherkommen möchte.

Moorweg skurril

Auch sonst kann, wer in Moorweg korrektes, rechtskonformes Verwaltungshandeln erwar­tet, getrost im Bett bleiben.

Da greift sich ein Ratsherr 2 Grundstücke im öffentlich geförderten Baugebiet für seine Renditezwecke, während trotz mehrfacher Nachfragen für Interessenten noch nicht einmal Vergabekriterien bestehen. Gleichwohl erteilt der Bürgermeister auf Nachfragen wieder­holt Auskunft, daß alle Grundstücke, bis auf eine häßliche Randlage, vergeben seien.

Daß außerdem die von diesem Ratsherrn maßgeblich veranschlagten Erschließungkosten von ehe­dem 50.000 € nun bereits um 160.000 € überschritten sind, merkte Bm Schröder in der Sitzung eher verhalten und beiläufig an.

Da beschließt der Gemeindearbeiter, der auch gleichzeitig sein Ratsherr ist, daß der Ge­meindetrecker abgängig sei und ebendieser Ratsherr beschließt dann mit seinen Ratskol­legen, daß für ebenjenen Gemeindearbeiter ein neuer Trecker gekauft wird. Fürwahr ein Traum­job, ohne Dienst- und Fachaufsicht, jenseits jeglichen Arbeits-, Tarif- und Kommu­nalrechts.

Und daß diese komplexe Beschlußlagenherausforderung überhaupt unverletzt bewältigt werden konnte, verdankt sich der höchstbürgermeisterlichen Einberufung der sog. „Treckerkompetenzgruppe“, damit der Kopf nicht alleine im Sand steckt.

Auch der Treckerkauf selbst war nicht ohne professionellen Sachverstand zu meistern. Dazu gab der Sohn des stellvertretenden Bürgermeisters ein kurzes Debüt als Landma­schinenberater und verkaufte prompt den ersten und einzigen Trecker in sei­ner Berufsbio­graphie – an die Gemeinde Moorweg. Und einen Rasenmäher.

Aus Kosten- bzw. Einspargründen soll, so geht die Kunde, nun noch ein Smart dazuge­kauft werden, damit das Päckchen Nägel nicht immer mit dem Trecker eingekauft werden muß, der zudem auch noch häufig kaputt ist, weil, so geht die Kunde weiter, der zuständi­ge Ratsherr Grasnarbe wie Baumstümpfe gleichermaßen mit der selben kommunalpoliti­schen Leidenschaft bewältigt.

Auslaufmodell Samtgemeinde

Was sich hier für den einen möglicherweise als Tatbestand der Vorteilsnahme oder Un­treue darstel­len mag, sind für den anderen aber doch nur Perlen der Hochkomik, die ein­mal mehr die politi­sche und administrative Untauglichkeit dieser verhunzten Struktur Samt­gemeinde vs. Stadt veranschaulichen. Gemeindebürgermeister als Verwaltungslaien ab­seits jeglicher Kontrolle und Rechenschaftspflicht, aber auch jeglicher fachlichen Unter­stützung, können ihren Anforderungen allenfalls noch gerecht werden, wenn sie zusätzlich die Sachkunde- und sonstigen Potentiale ih­rer Einwohner erkennen und umsichtig zu nut­zen verstünden. Sind sie dazu nicht in der Lage, d.h. sind sie überfordert, geht die Ge­meinde unter, da sie ideal in das Beuteschema von z.B. Investoren paßt (Lehmabbau, Windkraft, Biogas, Sendemasten etc.). Zudem sind sie stets auch befaßt mit der Einhe­gung von Gemeinderatsmitgliedern, die mitunter kaum einen Satz un­fallfrei formulieren können, geschweige denn eine rechtsver­bindliche Vereinbarung, und kaum die formalen Anforderungen des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes an Gemeinderats­arbeit erfüllen. So soll tatsächlich für den Moorweger Gemeinderat jetzt ein ex­terner Proto­kollant angestellt werden, weil von den Ratsherren hier keiner mehr schrei­ben mag.

 

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